Die Neurovisuelle Traumatherapie nutzt als primäre Grundlage -wie auch das Brainspotting- die Arbeit über die Blickrichtung. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass unsere Blickrichtung bestimmt, wie stark wir uns emotional und physiologisch mit einem belastenden (oder auch erfreulichen) Thema verbinden. Unverarbeitete, tief im impliziten Gedächtnis verborgene Erfahrungen können über die Augenposition (re-)aktiviert und verarbeitet werden. Der Punkt, auf den die Klient:innen bei der Verarbeitung schauen, bewirkt eine entsprechende Aktivierung in den Hirnregionen, in denen das zu verarbeitende Erlebnis gespeichert ist.
Das „nach Außen schauen“ bewirkt zugleich ein kontrolliertes „nach Innen schauen“. In Achtsamkeit schaut die/der Klient:in auf einen Punkt (meist unterstützt durch einen Teleskopstab, den die/der Therapeut:in im Raum hält) und erlebt gleichzeitig, im Inneren, einen Prozess der Verarbeitung. Das Schauen auf den Stab hilft gerade bei emotional belastenden Themen, eine innere Distanzierung zum Thema zu erreichen, die verhindert, emotional überflutet zu werden. Es erleichtert das Beobachten der Emotionen, statt mit ihnen zu verschmelzen. Der Stab ist auch ein Anker im Hier&Jetzt und mindert dadurch dissozaitve Tendenzen.
So wie es Blickrichtungen gibt, die uns mit den emotional belastenden Themen verbindet, kann eine entsprechende Blickrichtung uns auch unterstützen, uns mit angenehmen, ressourcenhaften Gefühlen tiefer zu verbinden. Diese mit positiveren Gefühlen einhergehende Blickrichtung ermöglicht zum einen ein Pausieren von den emotional herausfordernden Themen, zum anderen bietet sie im wahrsten Sinne des Wortes eine andere Perspektive auf das Thema. Ein Blick aus einem ressourcenhafteren Zustand heraus, der die Bereitschaft erhöht, auch wieder tiefer in das Thema einzusteigen.
Dadurch ist die Methode hervorragend geeignet zur Verarbeitung von traumatischen Erfahrungen und hat in diesem Bereich ihr primäres Anwendungsfeld. Sie bietet eine äußerst schonende Verarbeitung belastender Themen.
Brainspotting ist aus dem EMDR heraus entwickelt worden und persönliche Gründe haben später leider zu einer scharfen Abgrenzung der Methode durch Grand gegenüber dem EMDR geführt. Tatsächlich ergänzen sich beide Methoden wunderbar. Alexander Reich hat im Laufe der Jahre nach und nach in den (mehreren Tausend) Brainspotting Sitzungen, die er mit seinen Klient:innen durchgeführt hat, einige Elemente aus dem EDMR reintegriert. Diese praktischen Erfahrungen fließen nun in eine eigene Variante der „Therapie über die Augen“ ein, die er Neurovisuelle Traumatherapie nennt. So spielen die schnellen Augenbewegungen aus dem EMDR hier wieder eine Rolle, jedoch auf eine präzisere Art und Weise als im klassischen EMDR. Spannend ist in diesem Zusammenhang auch dieser Artikel über die historischen Vorläufer des Brainspotting.
Die Fortbildung “Neurovisuelle Traumatherapie” wird an der Akademie in ingesamt 6 Tagen vermittelt. Diese verteilen sich auf 2 Wochenenden zu je drei Tagen. Es wird empfohlen, nach einer Übungsphase mit den Klient:innen abschließend zusätzlich am Supervisions- und Praxisseminar teilzunehmen, in dem wir die Techniken noch einmal frei üben können, ohne von didaktischen Aspekten beschränkt zu sein. Für die Teilnehmer:innen des Curriculums ist dieses Praxis Seminar verpflichtend.