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Blickrichtung und Emotionen – historische Vorläufer des Brainspottings

Wie wahrscheinlich alle Therapiemethoden so hat auch Brainspotting nach David Grand seine Vorgeschichte. Die ersten Hinweise auf Heilung von Traumata mit Hilfe von Blickrichtung gehen womöglich schon auf alte Schamanische Traditionen zurück. Die Anthropologie und Ethnologie kennt Berichte, in denen Heiler sich mit traumatisierten Klienten in eine Erdhütte zurück gezogen haben. Dort brannte ein Feuer und erwärmte die beiden bis zum Schwitzen. Während der Traumatisierte dann an sein Erlebnis dachte bewegte der Schamane oder Heiler eine Kerze vor dessen Augen und zwar in Blickrichtungen, in denen sich das Erleben des Klienten zum Besseren veränderte (Quelle folgt).

Während EMDR seine Wurzeln im NLP hat, hat Brainspotting seine Wurzeln im EMDR. Schon vor Grand machten andere EMDR Therapeuten Beobachtungen, die auf die Relevanz der Blickrichtung hindeuteten. Es folgt hierzu eine Sammlung von Zitaten aus der EMDR Fachliteratur:

„1993 machte Thomson die „Beobachtung von „glitches“ der Augenbewegung während der EMDR-Behandlung,“ schreiben Aalbers & Geßner-van Kersbergen, 2012, S. 461, und sie fahren fort: „Audrey Cook probierte daraufhin verschiedene Handbewegungen aus, um die Augen des Klienten durch diese [Unregelmäßigkeiten] hindurchzuführen (das Verfahren wird mittlerweile Glitch Massaging genannt). Ihr Ziel war, die körperliche und emotionale Intensität der Klienten zu verringern, um die Lösung früher Traumata zu ermöglichen und negative Symptome innerhalb eines therapeutischen Toleranzfensters („window of tolerance“) zu aktivieren.“ Die Veröffentlichung von Thomson erschien 1993 im EMDR Network Newsletter (Thomson, 1993).

Audrey Cooks  Forschungspartner Dr. Rick Bradshaw macht die Suche nach Unregelmäßigkeiten in der Augenbewegung an folgendem Beispiel deutlich: „Als ich die Augenbewegungen nach „glitches“ absuchte, stellte ich einen bedeutenden Punkt des Zögerns fest. Während ich sein Auge über diese Stelle führte, erlebte [der Patient]  die höchste multisensorische
Intensität (Schussgeräusch […])- eine Intensität wie zum Zeitpunkt des Überfalls. Der Punkt, an dem sich [diese Unregelmäßigkeit] manifestierte, entsprach genau der Augenposition, die er innehatte, als er mir zuvor zeigte, wo der Bewaffnete aufgetaucht war“ (Aalbers & Geßner-van Kersbergen, 2012 S. 498).

Audrey Cook beschreibt die Suche nach Unregelmäßigkeiten folgendermaßen: „Zur Erkennung von „glitches“ führt der Therapeut das/die Auge(n) des Klienten mithilfe eines visuellen Reizes durch das Gesichtsfeld, bis eine [Unregelmäßigkeit] durch den Therapeuten beobachtet wird. Cook entdeckte eine zweite Möglichkeit, die wir Tracking-to-target nennen („ins Ziel führen“). Bei diesem Ansatz wird der Klient gebeten, den Therapeuten darüber zu informieren, wann die belastenden Symptome am intensivsten sind. Mit anderen Worten: Das subjektive Erleben des Klienten wird genutzt, um den oder die Massagepunkte zu finden, und weniger die objektive Beobachtung des Therapeuten“ (Aalbers & Geßner-van Kersbergen, 2012 S. 494).

Auf der „1999 EMDR-International-Association-Konferenz“ in Las Vegas stellte Audrey Cook diese beiden verschiedenen Versionen der Technik „Glitch-Holding bei bilateraler Stimulierung“ vor (Aalbers & Geßner-van Kersbergen, 2012 S. 501).

2003 entwickelte David Grand Brainspotting. Ähnlich wie Thomson fielen ihm Unregelmäßigkeiten in der Blickbewegung  beim EMDR-Prozess auf. Zeigt der Klient eine Unregelmäßigkeit in seiner Blickbewegung wie z.B. ein Lidschlag, dann lässt er den Klienten diesen Punkt fixieren (Grand, 2011). Bei Audrey Cook und Dr. Rick Bradshaw ist dieser Punkt vergleichbar mit dem Punkt der Unregelmäßigkeit bzw. mit dem „glitch“. Um den Brainspot zu finden, postuliert David Grand die Methoden des inneren und äußeren Fensters. Diese sind mit dem subjektiven Erleben des Klienten und der objektiven Beobachtung des Therapeuten bei Audrey Cook und Dr. Rick Bradshaw zu vergleichen. Außerdem erschien es Dr. Rick Bradshaw logisch, dass „wenn es „den intensivsten Punkt im intensiveren Auge“ gibt (üblicherweise einen „glitch“ im dominanteren Auge“, es auch einen „schwächsten Punkt im rezessiveren Auge“ (ein Ruhepunkt im nichtdominaten Auge) geben würde. Nach eingehender Suche konnten mehrere Punkte gefunden werden, an denen die meisten Klienten eine rasche und beträchtliche Besserung dieser belastenden Symptome erfuhren.“ Diese wurden „Freisetzungspunkte“ (release points) genannt (Aalbers & Geßner-van Kersbergen, 2012 S. 504). David Grand geht in seinem Modell von sogenannten „Ressourcenpunkten“ aus (Grand, 2011).

Quellen:
Aalbers, M. & Geßner-van Kersbergen, S.(Hrsg.).(2012). Die Lösung liegt in deiner Hand! Von der Energetischen Psychologie zur bifokalen Achtsamkeit – Emotionsregulation und Neurowissenschaften. Tübingen: Dgvt-Verlag.

Bradshaw, R. A., Cook, A., McDonald, M. J. (2011). Observed & experiential integration (OEI): Discovery and development of a new set of trauma therapy techniques. Journal of Psychotherapy Integration, 21(2), 104-171.
Link zur Seite mit PDF

Grand, D. (2011). Brainspotting:Ein neues duales Regulationsmodell für den psychotherapeutischen Prozess. Trauma & Gewalt 2011 (3), 276-285.

Thomson, S.S. (1993). Eye Movement “Glitches“ and slower passes: The importance of observing how the eyes move during EMDR. EMDR Network Newsletter, 3 (3), 15-16.

Akademie für integrative Traumatherapie